Im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts realisierte Helmut Lander eine kaum überschaubare Zahl an regionalen und überregionalen Arbeiten für den öffentlichen Raum. Auch bei den Auftragsarbeiten konnte Lander die breite Palette seiner Techniken umsetzen und gab mit Wand­ma­lereien, Mosaiken, architekturgebundenen Auf­trä­gen (von Fensterentwürfen bis Wandreliefs) und Plasti­ken für alle sichtbare Zeichen seines Könnens. Von Be­ginn seiner künstlerischen Tätigkeit scheint das Prinzip der Dynamik, der Bewegung und damit der Veränderung große Bedeutung gehabt zu haben. Unabhängig von ab­strak­ter oder figuraler Bildsprache, unabhängig da­von, ob es sich um Kunst am Bau handelte oder um eine au­to­nome Arbeit, Landers Arbeiten beinhalten oder ver­an­schaulichen die Idee der Veränderung, der Trans­for­ma­tion, der Metamorphose und des An­ders­seins.

Mit dem Architekten Prof. Oesterlen aus Hannover ge­stal­tete Helmut Lander seit 1959 in jahrzehntelanger Ko­o­peration zahlreiche Kirchen. Die von Lander in Je­ver kre­ierten Fensterwände aus Glasbeton nehmen Be­zug auf die ankommenden Meereswinde der nahen Nord­see. Die Glas­wände visualisieren in diagonaler Auf- und Ab­be­we­gung die Bewegung des Windes - darin bleigefass­te Vier- und Dreiecke aus hellem Glas in unterschiedlich­er Grö­ßenordnung, die wie Katzen an den vertikalen Pfeilern vor­beiziehen. Sie heben dabei die Schwere der Pfeiler auf und konterkarieren zugleich die Starre des Steins. Die dy­na­mische Bewegung der Glasprismen suggeriert Leich­tig­keit und Spiel, wo Statik und Festigkeit vorherrschen.

Oesterlen nahm Landers immer größer werdende dia­pha­ne Glasbetonwände immer als integrale Be­stand­tei­le der Architektur wahr und sieht einen Höhepunkt ihrer Zu­sam­menarbeit im deutschen Soldatenfriedhof von 1967 auf dem Passo della Futa in Italien, wo Landers Mo­sa­ik­ar­beiten die Struktur der immensen Archi­tek­tur­an­lage dra­matisieren. 1994 schreibt Oes­ter­len dazu: „ [...] die Ein­fühlsamkeit Landers in die archi­tek­ton­ische Sprache [...] erreicht damit eine naht­lose Integration von bil­den­der Kunst und Archi­tektur.“

 

Landers Mosaik in der Rheinstraße Ecke Kasinostraße von 1960 bedeckt ein Kompartiment einer der Straße zu­ge­wand­ten Hauswand (ca. 5m x 4m), die direkt auf ei­ne der größten innerstädtischen Kreuzungen weist. Die Mo­sa­ik­wand markiert den Eckpunkt einer durch­lau­fen­den Häu­ser­fas­sade mit senkrechten Pfeilern und horizontaler Lat­ten­glie­derung einschließlich symmetrisch gesetzter Fenster. Lan­ders Mosaik unterbricht mit seiner vielfar­bi­gen Stein­col­lage diese monotone Geometrie in Grau, gleichwohl es selbst graue Betonquadraten als Hintergrundfolie auf­weist: Mit blau-, gelb-, gold- und beigefarbenen, unregelmä­ßig ge­schnit­tenen Glasmosaiksteinen bildet Helmut Lan­der kompakte Rechtecksformate in unterschiedlicher Farb­setz­ung. Im Wechsel mit den flachen Steinen werden graue und schwarze aus der Fläche ragende Steine gesetzt, die der Wand­gestaltung einen Reliefcharakter verlei­hen. Horizontale Bahnen, die aus ineinander versetzten Mo­sa­ik­strei­fen bestehen, sind über mehrere Ebenen paral­lel geschichtet und nehmen Bezug auf den Bewegungsfluss der Straße. Innerhalb der Waagrechten sind die einzel­nen Stei­ne so aneinandergereiht, dass die Fugen zwischen den Stei­nen als Wege, Straßen, oder Kreuzungen de­co­dier­bar sind, eine An­spie­l­ung also auf urbanes Ge­sche­hen.

 

Lander wertet in dieser Arbeit mit herrschaftlicher Blau- und Gold- Dominanz den innerstädtischen Kno­tenpunkt als äs­the­tischen Ort auf, er setzt ein Zeichen zum Inneha­lten und Wahrnehmen, einen Moment der Meditation beim War­ten auf Grün.

In spannungsvollem Kontrast stehen die Reliefs der vier Be­tonaußenwände des darmstädter Hörsaalgebäudes "Au­di­torium Maximum" von 1969 zu den Reliefs der Außen­wände des Auditoriums selbst und der daran an­schlie­ßen­den Treppenhausgestaltung.

 

Die Gebäudemauern der vier Wände sind mit Halb- bis Hoch­reliefs versehen, die meist in vertikalen Bahnen an­ge­bracht sind, mit Ausnahme der horizontal arran­gier­ten Eck­situationen. Die senkrechten Bahnen setzen sich aus Ku­ben verschiedener Größenordnung zusammen, allein der kom­po­sitorischen Logik folgend. In kontinuierli­chem Wech­sel folgen doppelte und einfache Vertikale , doch dem Rhyth­mus der Strukturierung der Wände folgt nie die ge­naue Symmetrie der Einzelkomponenten, ge­mäß der Ma­xime Lan­ders, Symmetrie sei das Konzept, der gro­be Ent­wurf, Asym­metrie das Le­ben­dige, das not­wen­di­ge Chaos. Dem­ge­mäß variiert die Zusam­men­set­zung der ein­zel­nen Ku­ben stets, sodass die abstrakte Außen­­gestaltung eine unauf­hörliche Neuentdeckung des scheinbar Glei­chen ist. Die au­gen­fällige Gestaltung unterscheidet das Ge­bäu­de von Weitem von den umliegen­­den Unige­bäu­den.

 

Im Wech­selspiel dazu hat Lander die Außenwände des Hör­saales mit Tiefenreliefs versehen, indem er das glei­che For­menvokabular benutzt, nur etwas kleinteiliger, und dies in die Beton­fläche versenkt. Passend zu ihrer Lage im Ge­bäu­deinnern, sind die Reliefkomponenten nicht nur dif­fe­ren­zierter und in das Innere des Betons gearbei­tet. Nach au­ßen hin wird die Spannung der unterschied­lichen Tech­ni­ken durch die Glasfassade im unteren Gebäudeteil sicht­bar und hebt auf besondere Weise die Schlichtheit des Beton­ge­bäudes auf.